Montag, 16. September 2013

Wählen oder nicht wählen? Das ist hier die Scheiße.


Nur noch wenige Tage bis zum nächsten bundesweiten Bingowettbewerb und auf einmal kriechen die politischen Geister aus ihren dunklen Löchern, wo sie die letzten 3,99 Jahre gechillt haben. Der Satz „Bistu Swag-Yolo?“ wurde gegen „Gehst du wählen?“ getauscht und ich sehe auf Instagram schon die ersten Bilder von ausgefüllten Wahlzetteln (natürlich mit den passenden Hashtags #Wahl, #food, #love). Ich beobachte dieses Phänomen einerseits mit Freude, da sich plötzlich viele Leute dafür interessieren und darüber diskutieren, ob es beispielsweise eine Frauenquote geben soll. Kurz vor der Wahl erreicht die Information das Volk, dass ein Mindestlohn ja gar nicht so schlecht ist, wenn die eigene Tante dann nicht mehr mit Tempo 100 auf die Altersarmut zusteuert. Mit 400€ (seit einiger Zeit sogar 450€! Yeah, I'm gettin' money, ohh) Jobs hat man nämlich auf den Zielgeraden des Lebens nicht so viel Rente. Hab ich gehört.

Die Politik nimmt in den wenigen Wochen vor der Wahl einen größeren Platz im Leben der breiten Bevölkerung ein und ich finde das toll. Gleichzeitig prognostiziere ich, dass eine nicht zu unterschätzende Zahl an Wählern in nicht mal einer Woche bereits vergessen hat, wer die Wahl gewonnen hat. „Steinmeier? Das war doch der Typ mit dem Stinkefinger oder?“. So oder so ähnlich wird die Post-Wahlphase aussehen. „Man hat schließlich seine Pflicht als Bürger wahrgenommen und sich über die Themen und so informiert. Alles was danach passiert, liegt nicht mehr in meinen Händen. Wie, die Merkel hat ihr Wahlversprechen gebrochen? Verdammt, was hat sie mir nochmal versprochen, damit ich weiß, worüber ich mich aufregen kann?“ Pustekuchen meine Freunde. Kein Schwein denkt da noch dran. Aber wie lang die Zunge von Miley Cyrus ist, dieses Bild geht den Leuten nicht mehr aus dem Kopf. Ich finde das schade, weil Politik nicht nur kurz vor der Wahl gemacht wird, sondern auch davor und danach. Eigentlich ist das schon zu harmlos formuliert: Vor den Wahlen kommt der politische Betrieb in der Regel sogar zum Stillstand. Standby-Mode. Energiespar-Modus. Warum? Weil auf einmal alle Augen auf die Politik gerichtet sind! „Bloß keine Scheiße bauen“, denken sich die fein angezogenen Männer und Frauen. „Lieber nichts machen als etwas machen, was in den Medien gegen einen verwendet werden kann. Die heiklen Sachen verschieben wir lieber auf einen Termin nach der Wahl. Wenn die Affen wieder ihre RTL 2 Bananendokus schauen, statt Nachrichten.“



Doch wenn diese Menschen, die ihren Tag damit verbringen darüber zu diskutieren, wie viel sie verdienen dürfen, wirklich nur Schmocks sind (ich rede über die Politiker/innen) – wieso am 22.9 doch das Haus verlassen? Ich weiß es nicht. Aber ich verstehe, wieso man nicht wählen könnte. Manche Bürger und Bürgerinnen behaupten, sie würden sich nicht für Politik interessieren und nicht wählen gehen, weil es sich eh nicht lohnt. Es verändert sich doch eh nichts. Politikverdrossenheit war der offizielle Begriff dafür. Oder in anderen Worten: Kein Bock (mehr). 
Viele politisch engagierte Menschen wollen diese Abwendung von der Politik bekämpfen. Politik wieder „in“ machen. Das ist tatsächlich keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass der Satz „Ich schaue gerne Nachrichten“ einem das Handy kosten könnte, falls man den auf einem frankfurter Pausenhof bringt. Na gut, übertrieben. Aber man wird trotzdem als uncool abgestempelt. Hält man sich nun vor Augen, dass es verpönt ist, wissen zu wollen, was auf der Welt so abgeht, dann erhält man ein relativ semi-schönes Bild unserer Gesellschaft. Jedenfalls aus der Perspektive eines Menschen, der ein politisch interessiertes Volk für eine  wünschenswertere Nachbarschaft hält, als einen Haufen BILD-Leser.

(Exkurs: Was ich gegen die BILD so habe? Lasst mich die Frage so beantworten. Vor wenigen Wochen hat eine Politikerin der Grünen in einem Interview gesagt, dass die Grünen es begrüßen, dass öffentliche Kantinen und Mensen einmal die Woche nur vegetarische Gerichte anbieten würden. Der berühmte Veggie-Day. Was in manchen Kantinen, wie beispielsweise in vielen Kitas in Bremen, bereits Realität ist, wird in der BILD-Zeitung zur Schlagzeile: "Die Grünen wollen uns das Fleisch verbieten!". Sie erschaffen damit den Eindruck, dass diese Empfehlung, etwas völlig neues und abstruses wäre. Dabei unterstützen sie damit lediglich vorhandene Strukturen und lassen es offen, ob sich Kantinen und Mensen dabei einlassen.)

Ich könnte mich nun an dieser Stelle dafür einsetzen, dass sich mehr Leute für Politik interessieren und dann auch langfristiger. Ich könnte mich jedoch auch auf die Seite derjenigen schlagen, die auf Politik scheißen. Sie tun es nämlich zu Recht. SPD oder CDU? Die Sozialen oder die Konservativen? Spätestens nach der Agenda 2010 wurde klar, dass die SPD doch nicht so sozial sind, wie es ihr Name vorgibt. Und dass die Merkel, die jahrelang den Mindestlohn „kategorisch ausschloss“ (politiker-deutsch für „ja mal gucken, wenn die Mehrheit das will, dann mach ichs“) auf einmal total verrückt danach ist, zeigt uns, dass da die Unterschiede zwischen den großen Parteien nicht sehr groß sind und wie wenig deren Wort wert ist.. Und die Kleinen? FDP, die Partei der Liberalen. Liberal heißt in dem Fall „Reiche und Arme sollen die gleichen Chancen haben weiterhin reich bzw. weiterhin arm zu bleiben.“ Die Partei des Pseudo-Asiaten und des alten Perversen. Die, die denken, dass Adam Smith's unsichtbare Hand nicht nur zum fappen, sondern auch zum regieren geeignet ist. Oder die Grünen? Die Utopisten, die vom Post-Materialismus und Gleichstellung träumen? Die, die seitdem die Energiewende verkündet wurde, ihre „Atomkraft? Nein, danke!“ Aufkleber nicht mehr loswerden? Oder lieber die Linke, die sich intern so gut untereinander verstehen wie die Germany's Next Topmodel Anwärterinnen? Deren Mitglieder sich hauptberuflich mit Nazis prügeln, während sie Marx lesen und ihn 1 zu 1 auf heutige Verhältnisse übertragen wollen?  


Das Sprichwort, dass man nur das geringste Übel wählt, hat also Hand und Fuß. Jede Partei hat Dreck am stecken und es ist gut, dass die Kritik an ihnen so laut und offen wie nur möglich ist. Eine besondere Form der Kritik ist für mich die Satire. Die Satire verarscht, jedoch nicht ohne Grund. Satire macht sich nicht nur darüber lustig, was für eine grauenhafte Frisur Angie mal wieder hat. Satire nimmt etwas aus dem politischen Geschehen und spitzt es bis zur Lächerlichkeit zu. Beispiel: G8. Die meisten meiner Leser/innen wissen, was sich hinter dem Code verbirgt. Nach der Grundschule lieber 8 Jahre pädagogischen Prügel beziehen oder lieber den Spaß auf 9 Jahre verlängern? Eine bestimmte Partei nimmt dieses politische Vorhaben, das seit einigen Jahren die Kinder der Nation beglückt, auf und nimmt es auf den Arm. Die PARTEI fordert G1! Damit die Jugendlichen noch schneller ihr Abi haben und auf den Arbeitsmarkt oder auf die Unis losgelassen werden können: Nur 1 Jahr bis zum Abschluss!



Letztendlich möchte ich keine Werbung für irgendeine Partei machen. Ich weiß nicht mal, ob es sich überhaupt lohnt zu wählen. Ich finde es nur schade, dass es in wenigen Tagen keinen mehr jucken wird, wohin Steinbrück nun seinen Stinkefinger gesteckt hat. Nein im Ernst, ich denke es ist wirklich schade, weil die richtige Kacke erst zwischen den Wahlgängen am dampfen ist. Diejenigen, die nicht nur über Politik reden, weil es gerade alle tun, möchte ich dazu ermuntern, es doch mal weiterhin zu tun. Es ist spannend und manchmal sogar lustig. Nämlich dann, wenn Satire vorhanden ist. Satire hilft die Worthülsen der Politiker und Nachrichtensprecher aufzubrechen und zu verstehen, was wirklich hinter diesen Entscheidungen steckt. Ich empfehle dafür die Heute-Show und die PARTEI. Die Heute-Show fasst einmal in der Woche aktuelle Themen zusammen, während die PARTEI eine "echte" Partei ist. Ein Beispiel, wofür sich die PARTEI einsetzt, wurde mit dem G1-System bereits geliefert.  



Zum Abschied was Feines aus der Heute-Show.


Geht wählen, Leute. Oder auch nicht. 
horst